30 Jahre Sega Mega Drive in Europa: 16 Bit für ein Halleluja (2024)

Der Konsolenkrieg ist auch nicht mehr das, was er mal war! Als die Xbox Serie X/S auf den Markt kam, gehörte Mitkonkurrent Sony zu den ersten Gratulanten zum erfolgreichen Launch. Und als kurz danach die Playstation 5 erschien, gab es natürlich die Revanche und ein paar warme Worte von Microsoft in Richtung Sony. Von den Spitzen und der teils erbitterten Rivalität zwischen den Konsolenherstellern ist im Jahr 2020 nicht mehr viel zu spüren.

Vor 30 Jahren sah das noch völlig ganz anders aus: Sega und Nintendo waren sich spinnefeind. Und der Emporkömmling Sega ließ keine Gelegenheit aus, den Branchenriesen Nintendo anzugreifen und zu provozieren. Kostprobe gefällig? In den im US-Fernsehen ausgestrahlten Werbeclips stellte Sega das dort aus lizenzrechtlichen Gründen "Genesis" getaufte Mega Drive direkt gegen das Super Nintendo Entertainment System (SNES). Slogans wie "More for less" (auf Deutsch: "Mehr für weniger") oder "Genesis does what Nintendon't" ("Genesis macht das, was Nintendo nicht tut") zeigten, wie aggressiv Sega damals zu Werke ging.
Quelle: Moby Games)Das 1991 veröffentlichte Sonic the Hedgehog war für Sega der absolute Glücksgriff. Das pfeilschnelle Jump’n‘Run mauserte sich zum Publiku*msfavoriten und machte den blauen Renn-Igel zum Sega-Maskottchen.Die Sega-Konsole erschien bereits am 29. Oktober 1988 in Japan, konnte sich dort aber aufgrund der Nintendo-Dominanz nicht durchsetzen. Erst mit dem am 14. August 1989 erfolgten US-Launch und dem am 30. November 1990 stattgefundenen Start in Europa gelang schließlich der Durchbruch. Das Sega Mega Drive (jetzt kaufen ) war das "Missing Link" zwischen Spielhalle und Home-Entertainment und ein echtes 16-Bit-Kraftpaket, das seiner Zeit sogar ein wenig voraus war.

Platzhirsch Nintendo

Blicken wir noch einmal zurück auf die Entstehungsgeschichte des Mega Drives und reisen in die wilden 1980er-Jahre. Zu Beginn dieses Jahrzehnts gehörte Sega zu den fünf größten Entwicklern für Arcade-Automaten in den Vereinigten Staaten. Doch dieser Markt brach mit der Weiterentwicklung der Technologie hin zum Home-Entertainment in sich zusammen. Sega sattelte um und stellte 1983 mit dem SG-1000 (kurz für Sega Game) seine erste Heimkonsole vor. Vom Start weg brachte das Unternehmen in Japan 160.000 Einheiten an den Kunden. Die Firmenspitze war äußerst zufrieden mit diesen Zahlen. Schließlich dominierte Nintendo den japanischen Markt mit dem im gleichen Jahr erschienen Famicom, das kurze Zeit später als Nintendo Entertainment System (NES) international vertrieben wurde. Der erste Grundstein für eine große Rivalität war also gelegt.Quelle: Moby Games)Das Actionspiel Altered Beast lag der später in Europa und Nordamerika veröffentlichten Konsole bei. Dank Parallax-Scrolling und schönem Soundtrack gab es einen ersten Vorgeschmack auf die Leistungsfähigkeit der neuen 16-Bit-Hardware.

In der Folgezeit entwickelte Sega - nach dem Zwischenschritt in Form des optisch dezent aufgemotzten SG-1000 II -das Nachfolgemodell SG-1000 Mark III. Dieses kam später unter anderem in den USA und Europa als Sega Master System auf den Markt. Die Entwicklungsabteilung jedoch schraubte mit dem Start der alten Hardware-Generation bereits an der neuen. Unter der Leitung von Masami Ishikawa und unter Aufsicht von Hideki Sato entstand das Konzept für das durch 16-Bit-Prozessoren angetriebenen Sega Mega Drive. Die Japaner verbauten damals einen in Arcade-Automaten ebenfalls verwendeten 68000-Prozessor von Motorola mit einer Taktung von "rasanten" 7,67 Megahertz. An dessen Seite arbeitete zudem der Zilog Z80 als Zweitprozessor, der etwa für die Soundchip-Steuerung zuständig war. Separate Prozessoren für Grafik und Sound kosten natürlich viel Geld. Um den Preis für die Konsole aber so niedrig wie möglich zu halten, handelte Sega mit dem Chiphersteller einen deftigen Rabatt aus - unter der Prämisse, dass man zukünftig noch deutlich mehr Chipsätze abnehmen würde.
Quelle: Moby Games)Motorrad-Action mal anders: In Road Rash ging es nicht immer friedlich zu. In dem Rennspiel konntet ihr eure Konkurrenten mit einem saftigen Kick vom Bike treten.In dieser Zeit betrat ein weiterer Mitbewerber den Konsolenmarkt: Mit der von Hudson Soft entwickelten und vom Technologie-Riesen NEC vertriebenen PC Engine kam 1987 in Japan ein starker Mitbewerber hinzu. Die PC Engine setzte zwar lediglich auf einen modifizierten 8-Bit-Chipsatz, war aber dem damals vorherrschenden NES technisch überlegen und sicherte sich so ebenfalls ein Stück des Konsolen-Kuchens. Nintendo ruhte sich derweil auf den eigenen Lorbeeren aus. Schließlich sollte das Super Nintendo erst 1990 in Japan, 1991 in den USA und 1992 in Europa erscheinen. Der Marktführer vertrödelte zwar hier nicht den Platz an der Spitze, ließ der Konkurrenz aber genügend Raum, um im Schatten des großen N zu erwachsen.
Quelle: Moby Games)Im Gegensatz zu Nintendo war Segas Firmenpolitik gegenüber virtueller Gewalt oder auch Nacktheit in Spiel relativ entspannt. Erst auf Nachdruck richtete das Unternehmen 1993 einen „Videogame Rating Council“ für die Alterskennzeichnung von Spielen ein.In Japan gefloppt, aber dann ...
Jung, modern und technisch überlegen: So präsentierte Sega das Mega Drive auch nach außen hin. Die schwarz polierte Oberfläche und die runden Formen waren an das Design eines Sportwagens und moderner Musikelektronik angelehnt. Sega erhielt positive Presse für die innovative Hardware und deren Leistung. Allerdings war das Launch-Aufgebot mit wenigen Titeln wie Space Harrier 2, Altered Beast und Super Thunderblade alles andere als herausragend. Das Mega Drive verkaufte sich im ersten Jahr in Japan lediglich 400.000 Mal und rangierte damit nicht nur hinter dem NES, Quelle: Moby Games)Earthworm Jim gehört sicherlich zu den verrücktesten Videospielen aller Zeiten. Der 2D-Plattformer erfreute sich derart großer Beliebtheit, dass daraus sogar eine Cartoon-erie wurde.sondern auch hinter NECs PC Engine. Das Befeuern des Markts mit neuen Modellen und Zusatz-Hardware brachte ebenfalls kaum Besserung.

Nachdem Gespräche mit Atari gescheitert waren, vertrieb Sega die Konsole 1989 in den USA in Eigenregie. Da allerdings der Name "Mega Drive" in Nordamerika schon anderweitig vergeben war, trug die Konsole dort den Titel "Genesis" (auf Deutsch: "Ursprung" oder "Schöpfung"). Der Konsole zum Start lag Altered Beast bei - inklusive Parallax-Scrolling und modernisiertem Soundtrack. Das Beat'em-Up ließ zwar die Qualitäten vermuten, die eigentlich im Mega Drive beziehungsweise Genesis steckten, doch es dauerte ein weiteres Jahr, ehe die Konsole so richtig Feuer fing.

Spielevielfalt und große Namen
Sega änderte die eigene Marketingstrategie. Michael Katz, der neue Präsident von Sega of America, stellte eine zweistufige Kampagne auf die Beine, um die Konsole der breiten Masse und vor allem dem westlichen Markt zugänglicher zu machen. Ein Marketing-Trick beinhaltete den direkten Konkurrenzkampf mit Nintendo. Wie eingangs schon erwähnt, produzierte Sega provokante Werbung und stellte die schnelle 16-Bit-Konsole als die nächste Gaming-Evolutionsstufe dar. Nintendo deklarierte man hingegen als Relikt vergangener Tage: War das Mega Drive ein Rennwagen, dann war das NES eine alte Klapperkiste. Sega zeigte sich aggressiv und gleichermaßen progressiv.
Quelle: Moby Games)3D-Action, krachende Effekte und ein wuchtiger Soundtrack: Space Harrier 2 war in Japan einer der Launch-Titel für das Sega Mega Drive

Das Unternehmen suchte zudem die Nähe zu Drittherstellern und erleichterte ihnen das Entwickeln für ihre Konsole. Während also beispielsweise Nintendo und Namco miteinander im Clinch lagen und sich über Knebelverträge stritten, schlug Sega daraus Kapitel und sicherte sich die Rechte an einem zunehmend wachsenden Games-Portfolio. Was jetzt aber noch fehlte, war ein gewisser Wiedererkennungswert. Zu diesem Zweck kaufte das Unternehmen Lizenzen mit prominenten Sportlern und anderen Berühmtheiten ein. Titel wie Joe Montana Football, Mario Lemieux Hockey oder Michael Jackson's Moonwalker sorgten für Aufmerksamkeit. Später schnürte Sega sogar ganze Pakete und legte der Konsole einige der wertvollen Cartridges bei - ganz getreu dem Motto "More for less!".

1990 war ein entscheidendes Jahr für den Erfolg der Konsole, auch wenn sich die Auswirkungen der Kursänderung erst in den darauffolgenden Quelle: Moby Games)Golden Axe wurden den Arcade-Wurzeln des Mega Drives gerecht. In dem mittelalterlichen Actionspiel prügeln sich bis zu zwei Teilnehmer als Zwerg, Barbar oder Amazone durch wüste Abenteuer.Jahren so richtig zeigen sollten. Das vorgegebene Ziel von einer Million verkauften Konsolen schaffte Sega 1990 in den USA und Europa nämlich nicht. Trotzdem war eine Kehrtwende erkennbar.

Deren Auswirkungen zeigten sich gerade mit dem Erscheinen des SNES 1991 in den USA. Man könnte meinen, Nintendo würde hier das Weihnachtsgeschäft dominieren. De facto aber hatte Segas neues Maskottchen Sonic dank des Jump'n'Run-Hits Sonic the Hedgehog die Nase vorn und verhalf dem Nintendo-Konkurrenten zunehmend zur Führung. Zu dieser Zeit waren alle Spiele mit Segas blauem Renn-Igel wahre Publiku*msmagneten. Sonic zeigte mit seinem pfeilschnellen Gameplay, der stimmungsvollen Grafik und auch dem energetischen Soundtrack perfekt, was das Mega Drive damals ausmachte.

Deshalb war das Mega Drive besonders
Das Mega Drive verkörperte ein Lebensgefühl: Wirkten andere Konsolen zu dieser Zeit noch wie Kinderspielzeuge, war Segas 16-Bitter rau, cool und sogar ein wenig erwachsen. Sega war ein Trendsetter, und das Mega Drive demonstrierte bereits damals, in welche Richtung Videospiele in den kommenden Jahrzehnten immer stärker gehen sollten. Aus dem Spielgerät wurde ein eigenständiges Unterhaltungsmedium, das Gaming und Popkultur zusammenbrachte.Quelle: Moby Games)Sieht auf den ersten Blick stark nach Final Fantasy aus, ist aber Shining Force 2. Das taktische Rollenspiel besaß eine Spieltiefe und eine Größe, die es von vielen anderen Titeln der damaligen Zeit absetzte.

Ein Grund für den Erfolg der Konsole war auch die exklusive Partnerschaft mit Electronic Arts und vor allem EA Sports. Der erste Teil der NHL-Serie erschien ausschließlich für das Mega Drive - ein Riesencoup im sportbegeisterten Amerika. In diesem Fall profitierten beide Marken davon: Sega erhielt exklusive Spiele, die sie stärker von Nintendo und anderen Konkurrenten absetzten. Electronic Arts und im Speziellen EA Sports auf der anderen Seite machten durch die Kooperation ebenfalls einen gewaltigen Sprung nach vorne. Eine Zeit lang war das Mega Drive somit die Nummer-1-Anlaufstelle für alle Sportspielfans.

Die Vielfalt der Spiele und Konzepte machte hier den Unterschied. Viele populäre Spielereihen fanden auf dem Mega Drive ihren Ursprung oder gar eine neue Heimat: Road Rash, Earthworm Jim, Shinobi, Streets of Rage, Desert Strike, Golden Axe, Castle of Illusion Starring Mickey Mouse und viele weitere. Die Liste ist schier endlos und zeigt auf, wie bedeutsam das Mega Drive zu Hochzeiten wirklich war.Quelle: Moby Games)Shadow Dancer: The Secret of Shinobi war der zweite und letzte Ableger der Shinobi-Reihe. Als Ninja rettet ihr vom Union-Lizard-Kult entführte Menschen. Immer an eurer Seite: Kampfhund Yamato.

Die Plattform war eine Spielwiese ohne Grenzen, auf der ein esoterisch angehauchtes Unterwasserabenteuer wie Ecco the Dolphin problemlos neben einem knallharten Kampfspiel wie Mortal Kombat im Händlerregal bestehen konnte. Sega zeigte sich in seiner Firmenpolitik offen und ließ - im Gegensatz zu Nintendo - auch gewalttätige und erwachsene Spiele durchgehen. Das sorgte zwar für Ärger von Seiten der Politik, doch genau das schürte letztlich auch das Image der Plattform. Sega glättete die Wogen und richtete 1993 den sogenannten Videogame Rating Council ein, der zeitweise für die Alterskennzeichnung der Spiele verantwortlich zeichnete.

Einigen wir uns auf Unentschieden
Und damit kommen wir zurück zum anfangs erwähnten Konsolenkrieg zwischen Sega und Nintendo. Das Ergebnis dieser Rivalität variiert nämlich am Ende stark: In Japan lag Nintendo mit dem Super Nintendo am Ende deutlich vorn und dominierte den Markt. In den USA sah die Sache indes anders aus - 1994 etwa gingen 55 Prozent der verkauften 16-Bit-Geräte auf die Kappe von Sega. In den Vorjahren verkaufte Sega hier sogar teils doppelt so viele Mega Drives wie Nintendo SNES-Konsolen. Während dieser Trend sich auch in Großbritannien fortsetzte, war Deutschland eher eine Nintendo-Nation: Hierzulande konnte sich das Super Nintendo einen Vorsprung mit einem Verhältnis von rund 2:1 deutlich vor dem Mega Drive positionieren.

Doch letztlich ist das Ergebnis eigentlich auch egal: Das Sega Mega Drive hat Videospiele besser und vor allem ein gutes Stück cooler gemacht. Die Konsole beschreibt wie wenige andere eine Zeit der neuen Ideen, der Aufbruchsstimmung und einer kleinen Gaming-Revolution. Und genau das würden wir uns doch auch heute mal wieder wünschen, oder?

Quelle: SegaDas Sega Mega Drive Mini
Das Sega Mega Drive Mini
Nintendo macht es vor und Sega zieht nach: Das traf auch im Jahr 2019 zu. Nachdem die Mario-Macher bereits mit ihren NES- und SNES-Mini-Retrokonsolen für Retro-Verzückung gesorgt hatten, brachte Sega Ende 2019 mit dem Mega Drive Mini ein Spielzeug für Erwachsene mit ganz ähnlichem Konzept heraus. Auf dem Gerät befinden sich 42 vorinstallierte Klassiker, darunter Castle of Illusion, Shining Force, Sonic The Hedgehog, Wonderboy in Monster World, Earthworm Jim, Castlevania: Bloodlines oder Ecco the Dolphin.

Neben der Konsole liegen dem Paket zwei Drei-Button-Controller bei, wie man sie aus der ersten Generation der Original-Hardware kannte. Inzwischen ist das Mega Drive Mini vielerorts vergriffen und dementsprechend ein kleines Sammlerobjekt. Gut ein Jahr nach Release ist Segas Mini-Konsole oft nur noch gebraucht zu haben; eine echte Wertsteigerung hat bislang noch nicht stattgefunden. Kostete das Spielgerät im UVP noch 72,99 Euro, bekommt man es heute meist für einen Preis zwischen 60 und 80 Euro.

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